10. Erneuerbare Lesetage – 2023
„Das Unmögliche möglich machen“ (Hermann Hesse)
Im März 2023 feierte „Hamburgs elektrisierendes Literaturfestival“ (Morgenpost) seine zehnte Ausgabe: Zehn Tage Kultur für alle, mehr als 60 Autor:innen und Künstler:innen auf den attraktivsten Bühnen der Stadt.
Unter dem von Hermann Hesse entliehenen Titel: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“
Die Jubiläums-Impressionen
Epilog – 11. März
Vor genau zwölf Jahren – am 11. März 2011, 6.46 Uhr – explodierten die Atommeiler in Fukushima. Naoto Kan, damals Premierminister Japans, musste die Apokalypse managen. 2016 trat der Staatsmann a. D. bei ‚Lesen ohne Atomstrom‘ in Hamburg auf. Zum Abschluss des Festival-Jubiläums am Fukushima-Jahrestag meldet sich Naoto Kan erneut zu Wort. Mit einer exklusiven Videobotschaft: „Ich möchte, dass wir die Stromerzeugung aus Atomreaktoren oder fossilen Rohstoffen beenden. Dies ist meine Botschaft an Sie in Deutschland: Lassen Sie uns dafür gemeinsam engagieren!“
Tag 10 – 10. März
Deutschlands Atomlobby wittert ihre Chance für den Ausstieg aus dem beschlossenen „Atomausstieg“. Angeblich zum Schutz des Klimas. Führende Forscher:innen widersprechen. Und mit ihnen Aktivist:innen aller Generationen, die sich zum „Generationenappell“ im Centralkomitee-Theater versammelten: Die Blues-Legenden Abi Wallenstein & Friends ebenso wie die 90-jährige Aktivistin Dagmar Reemtsma und ihre Enkelin, FridaysForFuture-Sprecherin Carla Reemtsma. ‚Klimawochen‘-Gründer Frank Schweikert, Wissenschaftler Daniel Dahm, die Autor:innen Hanna Poddig, Wolfgang Ehmke, Detlef zum Winkel, Henning Venske. Der Alternative-Nobelpreis-Träger Wladimir Sliwjak. Und live vom Südatlantik zugeschaltet Weltumsegler Boris Herrmann.
Fazit: „Der Betrieb von Atomanlagen verträgt sich nicht mit Erdbeben, Fluten, Stürmen, Vulkanausbrüchen, Hitze- oder Kältewellen, Waldbränden. Und schon gar nicht mit Krieg.“
Tag 9 – 9. März
Die Europäische Union hat die tödlichste Grenze der Welt geschaffen: Brutal geht die „Friedensnobelpreisträgerin“ gegen Menschen vor, die fliehen. Vor Krieg, Hunger, Klimawandel. Tausende sind so auch vor Lampedusa und Sizilien ertrunken, weiter werden jeden Tag Leichen aus dem Wasser gezogen, berichtet Lampedusas ehemalige Bürgermeisterin Giusi Nicolini. Sie fordert mit Palermos Anti-Mafia-Legende Leoluca Orlando, TV-Moderator Georg Restle und Filmstar Katja Riemann offene Grenzen, Philosophin Donatella Di Cesare „das Grundrecht auf Migration“.
Simultan-Dolmetscher: Walter Kögler
Tag 8 – 8. März
Der „Abend zum Abhauen und Ankommen“ war ein Abend zum Dableiben. Vom Nicht-Lassen-Wollen von den tief berührenden Schreibern, Talkern, Lesern Simone Buchholz und Tobias Schlegl: Bei ihrem Reflektieren „über die Mächtigkeit des Meeres“ – für den privilegierten, die Entrücktheit vom Alltag genießenden Seereisenden im Norden wie für die Zigtausenden Verzweifelten auf Todesfahrt im Süden. Erstere, denen aus jeder noch so banalen Unpässlichkeit mit großem Aufwand geholfen wird. Die anderen, denen man aus den Kommandozentralen in den europäischen Metropolen mit modernster Überwachungstechnik bei ihrem Überlebenskampf gegen das übermächtige Meer zusieht. Beim Ertrinken.
Tag 7 – 7. März
Drei Antifa-Aktivisten tauchen in den 1990ern ab. Für das Bundeskriminalamt sind sie „Terroristen“, die einen Abschiebeknast sprengen wollten. Die Jagd ist erfolglos. 20 Jahre später tauchen die Drei wieder auf, in Venezuela. Im Exil entsteht der Soundtrack der Revolte, mit dem Rapper Mal Élevé das Künstlerduo „Générations sans frontières“. Dokumentiert im Film ‚Gegen den Strom‘. Im Millerntorstadion bieten die Protagonisten drei Stunden alles: Kino, Talk, Konzert. Das Festival tanzt. Mit Regisseur Sobo Swobodnik, Mal Élevé und dem noch immer „gejagten“ Thomas Walter aus Venezuela live zugeschaltet.
Tag 6 – 6. März
Die schonungslose Abrechnung mit den Verhältnissen war bestellt – und ein Ensemble von Wortakrobat:innen, das so wohl nicht noch einmal zusammenkommt, hat geliefert. Drei Stunden Kabarett der Extraklasse.
Von Lisa Politt, Henning Venske, Alma Hoppes Jan-Peter Petersen, der Titanic BoyGroup um Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn. Und Urban Priol.
Tag 5 – 5. März
Das Nachkriegsdeutschland sträubte sich stets gegen die Holocaust-Aufarbeitung: Schonte die Täter, die Vielen, die sich schuldig gemacht hatten. Schließlich wurde einem Schäferhund der Prozess gemacht, „Lux“ des millionenfachen Mordes für schuldig befunden – so hatte es sich Thomas Harlan, Sohn des NS-Propagandisten Veit Harlan, 1964 fürs Theater ausgedacht.
Doch der „Lux“ kam nie auf die Bühne. Bis jetzt, exklusiv bei „Lesen ohne Atomstrom“ – mit außerordentlich eindringlichen Darsteller:innen: Johanna Christine Gehlen, Bibiana Beglau, Sebastian Bezzel. Was Literatur zur Holocaust-Bewältigung beizutragen vermag diskutierten zudem Harlan-Nachlassverwalter Michael Farin, Gedenkstätten-Leiter Oliver von Wrochem und Bestseller-Autor Feridun Zaimoglu.
Im Gedenken an Esther Bejarano: Kein Vergeben, kein Vergessen!
Tag 4 – 4. März
Roger Willemsen und Dieter Hildebrandt waren dem Phänomen auf der Spur, dass der Mensch an die 200 Mal jeden Tag die Unwahrheit sagt. Es war zum Schmunzeln. Und misstrauisch werden. In Erinnerung an die beiden ‚Lesen ohne Atomstrom‘-Mitbegründer arrangierten Barbara Auer, Walter Sittler und Johann von Bülow die „Weltgeschichte der Lüge“ neu. Exklusiv, nur für diesen einen Abend. Das volle St. Pauli-Theater feierte die brillanten Leinwandstars.
Tag 3 – 3. März
Elke Heidenreich hatte vor zehn Jahren Hamburgs strahlendem Kulturmissbrauch unnachahmlich die Leviten gelesen – als sie nach den Drangsalierungen von Vattenfall und seinen Dienstleistern gegen diverse engagierte Künstler:innen zum Start ihrer „Alten Liebe“ klarstellte: „Vattenfall, ihr könnt uns mal!“
Nun, zum ‚Lesen ohne Atomstrom‘-Jubiläum, gestattete die Autorin eine ganz neue Interpretation ihres Bestsellers. Schroff und zärtlich, widerborstig und versöhnlich. Vor begeistertem Publikum grandios interpretiert von Mariele Millowitsch und Walter Sittler.
Tag 2 – 2. März
„Es gibt kein Recht auf Gehorsam“, propagiert Konstantin Wecker. Lesend, singend. So melancholisch wie kämpferisch. Tief berührend. Virtuos begleitet von Sarah Straub und Jo Barnikel. „Verweigern wir jedes Gebot, nur noch ein Sein ohne Herrschaft befreit uns aus unserer Not.“ Standing Ovations.
Tag 1 – 1. März
Der nukleare Wahnsinn zum Festivalauftakt: Sophie von Kessel, Melika Foroutan, Michael Rotschopf, Bernhard Schütz, Joachim Witt und Ulrich Noethen präsentierten einzigartig Friedrich Dürrenmatts Klassiker »Die Physiker«. Wie im Rausch – der Applaus für das faszinierende Ensemble aus Bühnen- und TV-Stars wollte nicht enden.
Prolog – 17. Februar
Warm-up auf der Reeperbahn: Zehn Tage vor dem Start des ’10. Lesen ohne Atomstrom‘ stellt die Udo-Lindenberg-Stiftung das zehntägige Jubiläumsprogramm vor. Mit einer Werkschau Hermann Hesses, im ‚Schmidtchen‘-Theater präsentiert von Komplizen des Hamburger Ehrenbürgers – wie ‚Prinzen‘-Frontmann Sebastian Krumbiegel, den Kapitänen Dariush Beigui und Carola Rackete, den Hesse-Preisträgern Anna Janina & Jascha, der Schweizer Synchron-Legende Ernst Süss, der Vizepräsidentin der Internationalen Hesse-Gesellschaft Regina Bucher und vielen mehr.
Das Programm ’23 | ||
17.02. Schmidtchen |
Der Prolog: Die Udo Lindenberg Stiftung präsentiert das Jubiläumsprogramm Eine Hermann-Hesse-Werkschau mit special guests (u. a. Sebastian Krumbiegel, Ernst Süss, Regina Bucher, Anna Janina & Jascha, Bea Reszat, Arno Köster, Dariush Beigui, Carola Rackete) |
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01.03. Schmidtchen |
»Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen.« — Friedrich Dürrenmatts »Die Physiker« Melika Foroutan, Sophie von Kessel, Michael Rotschopf, Bernhard Schütz, Joachim Witt, Ulrich Noethen |
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02.03. Schmidt Theater |
»Es gibt kein Recht auf Gehorsam.« Konstantin Wecker, Jo Barnikel, Sarah Straub |
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03.03. Fabrik |
»Hör’ auf mit dem Scheiß.« — Elke Heidenreichs »Alte Liebe« Mariele Millowitsch, Walter Sittler |
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04.03. St. Pauli Theater |
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!« — In Erinnerung an Roger Willemsen & Dieter Hildebrandt Johann von Bülow, Walter Sittler (arrangiert von Barbara Auer) |
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05.03. Stavenhagenhaus |
»Lux« — Thomas Harlans deutsches Gräuelmärchen Bibiana Beglau, Johanna Christine Gehlen, Sebastian Bezzel, Oliver von Wrochem, Michael Farin, Feridun Zaimoglu |
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06.03. Alma Hoppes Lustspielhaus |
»War was?!« Lisa Politt, Titanic BoyGroup (Oliver Maria Schmitt, Thomas Gsella, Martin Sonneborn), Henning Venske, Alma Hoppe (Nils Loenicker, Jan-Peter Petersen), Urban Priol |
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07.03. FC St. Pauli- Museum |
»Du bist nicht allein.« — Konzertantes Kino gegen den Strom Sobo Swobodnik, Thomas Walter, Mal Élevé |
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08.03. Schmidtchen |
»Alles, was ich sehen konnte, waren Wellen.« — Ein Abend zum Abhauen und Ankommen Simone Buchholz, Tobias Schlegl |
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09.03. Zeise-Kinos |
»Sahara Salaam« — Die Anmut der Wüste Wolf Gaudlitz |
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09.03. Fabrik |
»Europa wird sich vor der Geschichte verantworten müssen.« Katja Riemann, Donatella Di Cesare, Giusi Nicolini, Leoluca Orlando, Georg Restle |
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10.03. Centralkomitee |
»Don’t nuke the climate!« — Der Generationenappell Mojib Latif, Wladimir Sliwjak, Dagmar Reemtsma, Carla Reemtsma, Henning Venske, Hanna Poddig, Wolfgang Ehmke, Eva Stegen, Momo, Detlef zum Winkel, Frank Schweikert, Daniel Dahm, Boris Herrmann, Abi Wallenstein & Friends |
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11.03. lesen-ohne-atomstrom.de |
Der Epilog: »No Nukes!« — Videoansprache am Jahrestag des Fukushima-GAU Naoto Kan, Premierminister Japan a. D. |